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Die Rechtslage bei Corona-Tätigkeitsverboten in unserer Beurteilung

(1) Der „Normalfall“ nach § 56 Infektionsschutzgesetz (IfSG)

Nach § 56 IfSG haben Selbständige einen Anspruch auf Verdienstausfall und Erstattung nicht gedeckter Betriebsausgaben, wenn sie persönlich u.a. „als Ansteckungsverdächtige“ einem Verbot der Ausübung ihrer bisherigen Erwerbstätigkeit unterworfen werden.

Der klassische und – soweit ersichtlich – auch aus der Sicht der Behörden zweifelsfreie Anwendungsfall dieses Entschädigungsanspruchs entsteht durch eine persönliche und unmittelbare Quarantäneanordnung gegenüber einer Person wegen eines konkreten Corona-Verdachts.

In einem solchen Fall ist die betroffene Person in der polizei- und ordnungsrechtlichen Begriffswelt eine „Gefahr für die Allgemeinheit“, denn sie birgt die Gefahr der Ansteckung anderer in sich. Juristen nennen eine solche Person auch einen „Störer“. Im Regelfall erhalten „Störer“ im Polizei- und Ordnungsrecht keine Entschädigung für die ihnen auferlegten staatlichen Maßnahmen, soweit sich diese Maßnahmen insbesondere im Rahmen des Verhältnismäßigen halten.

Im Normalfall bestünde daher kein Anspruch eines rechtmäßig unter Quarantäne gestellten Corona-Ansteckungsverdächtigen. Der Gesetzgeber hat dennoch in § 56 IfSG einen Entschädigungsanspruch für die von solchen Anordnungen Betroffenen geschaffen, um deren Existenz zu sichern. Die Gesetzesmaterialien sprechen hier ausdrücklich von einem Anspruch aus Billigkeitsgründen. Der Gesetzgeber hat es also ausdrücklich als „billig“, d.h. als gerecht befunden, Personen einen Entschädigungsanspruch zu gewähren, die eine „Gefahr für die Allgemeinheit“ darstellen und daher einem Verbot ihrer Erwerbstätigkeit unterworden werden.

Für die Behörden endet hier nach der momentan bekannten Praxis die Anspruchsprüfung.

Wer nicht ausdrücklich und persönlich einer Quarantäneanordnung unterworfen worden ist, soll keinen Anspruch auf eine Entschädigung aus § 56 IfSG haben.

(2) Die – zu vermutende – Begründung der Behördenmeinung

Viele oder gar die meisten zuständigen Behörden behaupten derzeit ausweislich ihrer Internetdarstellungen noch öffentlich, für einen Anspruch aus § 56 IfSG für Selbständige bedürfe es einer persönlichen Quarantäneanordnung (sogenannte „Absonderung“).

Das steht so jedoch nicht ausdrücklich im Gesetz, sondern ist allenfalls die historische Behördenpraxis, da es andere Fälle bislang im Regelfall nicht gab.

Andere Behörden schweigen zu den ganz konkreten Voraussetzungen dieses Anspruchs auf ihren Webseiten. Dort könnte man meinen, sie würden auch die von uns vertretenen Ansprüche als möglich erkennen. Berichtet wird darüber aber noch nichts.

Aus dem Gesetzestext könnte die ablehnende Behördenauffassung darauf gestützt werden, dass es sich bei den nicht persönlich unter Quarantäne gestellten Personen nicht um den anspruchsberechtigten Personenkreis handelt, denn es ist in der hier in Frage kommenden Fallgestaltung nach dem Wortlaut des § 56 IfSG erforderlich, dass der Betroffene dem Verbot ausdrücklich „als Ansteckungsverdächtiger“ unterworfen wurde. Ein solches Tätigkeitsverbot wäre auf § 31 IfSG zu stützen.

Hierzu existiert jedoch ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, das folgendes besagt: Je höher die generelle Gefahr, desto niedriger die Schwelle der Notwendigkeit für den „Ansteckungsverdacht“. Es besteht daher durchaus die Möglichkeit, die derzeit angeordneten Geschäftsschließungen auf einen „Ansteckungsverdacht“ der jeweiligen Geschäftsinhaber zu stützen, auch wenn sie nicht nachgewiesenermaßen mit dem Corona-Virus infiziert sind. Die Argumentation ginge dann in Richtung eines „Generalverdachts“ der Bevölkerung. Ob dies tatsächlich zulässig wäre, ist unklar und bedarf der weiteren Auslegung des Infektionsschutzgesetzes durch die Gerichte.

Tatsächlich stützen nur wenige Bundesländer ihre Corona-Anordnungen ausdrücklich auch auf § 31 IfSG, der Tätigkeitsverbote auch „Ansteckungsverdächtigen“ gegenüber gestattet. Die meisten Bundesländer stützen ihre Corona-Anordnungen auf die sehr viel generelle Vorschrift des § 28 IfSG als „Generalermächtigung“.

Soweit § 31 IfSG als Ermächtigungsgrundlage herangezogen wird, liegt die Konsequenz des Entschädigungsanspruchs aus unserer Sicht nahe, weil die angesprochenen Personenkreise nach den §§ 31, 56 IfSG absolut deckungsgleich sind.

Es steht zu vermuten, dass die meisten Bundesländer sich deshalb nicht auch konkret auf § 31 IfSG berufen, um genau diese Konsequenz des logischen Gedankengangs zu vermeiden. Ob jedoch § 28 IfSG allein die weitreichenden staatlichen Corona-Maßnahmen rechtfertigt, ist unter Juristen umstritten.

Die – zu vermutende – Behördenauffassung in der Verweigerung von Ansprüchen aus § 56 IfSG für solche Selbständige, die nicht ausdrücklich selbst unter Quarantäne gestellt worden sind, sondern deren Geschäft „nur“ geschlossen wurde, beruft sich somit

  • erstens auf das Fehlen einer ausdrücklichen persönlichen Quarantäne-anordnung sowie
  • zweitens auf die Behauptung, dass das Tätigkeitsverbot nicht auf einem „Ansteckungsverdacht“ des konkret Betroffenen beruhe, sondern unabhängig davon zum Schutz der Allgemeinheit vor einer generellen Ansteckungsgefahr „im Geschäft“ des von der Schließung Betroffenen beruhe.

(3) Unsere Einschätzung zu § 56 Infektionsschutzgesetz

Wir teilen diese Auffassung der Behörden nicht. § 56 IfSG nimmt nicht direkt auf § 31 IfSG Bezug, sondern hat zunächst nur den ausdrücklich gleichen Adressatenkreis. Die zur Entschädigung berechtigende Maßnahme muss nach § 56 IfSG hingegen nur „aufgrund dieses Gesetzes“ erfolgt sein, d.h. eine Maßnahme aus § 28 IfSG reicht aus. Eine unmittelbare und persönliche Quarantäneanordnung ist nach § 56 IfSG nicht erforderlich.

Es bleibt jedoch die formale Anspruchsvoraussetzung des Tätigkeitsverbots „als Ansteckungsverdächtiger“. Hierzu bleiben die offiziellen Einlassungen der verschiedenen Landesbehörden abzuwarten, wie sie die Geschäftsschließungen im Einzelnen rechtfertigen wollen.

Soweit sich diese Begründung – von den Gerichten bestätigt – nicht darauf stützt oder stützen müsste, dass die jeweils selbstständigen Geschäftsinhaber generell auch „als Ansteckungsverdächtige“ behandelt werden sollten, scheidet die Möglichkeit zur unmittelbaren Anwendung des § 56 IfSG aus.

Ein Anspruch der von den aktuellen Geschäftsschließungen Betroffenen bestünde dann aus § 56 IfSG in unmittelbarer Anwendung der Norm nicht.

Es ist aber auch denkbar, dass die Gerichte zu dem Schluss gelangen, die Behörden hätten die ausgesprochenen Tätigkeitsverbote nicht allein auf die Generalklausel des § 28 IfSG stützen dürfen, sondern hätten sie auch bzw. sogar nur auf § 31 IfSG stützen müssen. In diesem Fall wäre der logische Schluss auf die Anspruchsberechtigung aus § 56 IfSG aus unserer Sicht zwingend.

(4) § 56 Infektionsschutzgesetz in analoger Anwendung

Ist ein Gesetz nicht unmittelbar anwendbar, ist für den Juristen die Anspruchsprüfung noch nicht beendet. Soweit in gesetzlichen Regelungen ein allgemeiner Rechtsgedanke vermutet werden kann, stellt sich stets die Frage nach einer analogen Anwendung der Regelung auf Fälle, die der Gesetzgeber zur Zeit des Gesetzgebungsverfahrens nicht gesehen hatte, die aber eine vergleichbare Interessenlage enthalten.

Dass eine Situation wie heute unter der Corona-Krise dem historischen Gesetzgeber nicht konkret präsent gewesen ist, darf angesichts der derzeit generell wahrzunehmenden Eile in der Gesetzgebung zur Bewältigung der aktuellen Herausforderungen angenommen werden.

Wichtig ist an dieser Stelle zu betonen, dass der Entschädigungsanspruch aus § 56 IfSG ein Anspruch ist, den der historische Gesetzgeber einem „Störer“ als „Gefährder der Allgemeinheit“ aus „Billigkeitsgründen“ gewährte.

Wenn denn die derzeitigen staatlichen Maßnahmen gegenüber den selbständigen Inhabern von Geschäften nicht deshalb erfolgten, weil diese selbst „als ansteckungsverdächtig“ angesehen wurden, bedeutet dies zwangsläufig, dass die Betroffenen nicht als „Störer“, sondern als „Nicht-Störer“ in Anspruch genommen wurden.

Auch die Inanspruchnahme von „Nicht-Störern“ ist rechtlich zulässig, wenn es zur Vermeidung anders nicht wirksam zu beherrschender Gefahren erforderlich ist. Gerade das Infektionsschutzgesetz, namentlich § 28 IfSG, eröffnet die Möglichkeit zur Inanspruchnahme von „Nicht-Störern“.

Wir als Anwälte fragen dann: Wenn schon ein „Störer“ aus der Sicht des historischen Gesetzgebers einen Entschädigungsanspruch aus § 56 IfSG aus „Billigkeitsgründen“ haben sollte, wie ist es dann unter dem Gesichtspunkt der „Billigkeit“ zu rechtfertigen, dass die auf Grundlage des § 28 IfSG als „Nicht-Störer“ in Anspruch Genommenen ohne eine mindestens gleichwertige Entschädigung alleine gelassen werden?

Der Jurist sagt in solchen Fällen: Diese Fallkonstellation rechtfertigt die analoge, d.h. die entsprechende Anwendung der Entschädigungsregelung in § 56 IfSG mit der Konsequenz, dass ein selbstständiger Geschäftsinhaber, dessen Geschäft aus Gründen des Gemeinwohls geschlossen wurde, genauso zu stellen ist, wie er stünde, wenn er sein Geschäft aufgrund einer persönlich angeordneten Quarantäne hätte schließen müssen.

Diese Analogie wäre nur dann nicht gangbar, wenn gesagt werden könnte, der Gesetzgeber habe die Entschädigungsregelungen nach dem IfSG „abschließend“ geregelt. Wir erkennen hierfür keine Anhaltspunkte. Die Gerichte könnten dies dennoch so entscheiden.

(5) Weitere Anspruchsgrundlagen

Selbst wenn die Gerichte in dieser Fallgestaltung noch keinen Anlass für eine direkte oder analoge Anwendung des § 56 IfSG sehen würden, wäre die Prüfung der in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen noch nicht beendet.

Erstens ist weiterhin denkbar, dass Ansprüche aus § 65 IfSG bestehen. Dies hängt davon ab, welche konkrete Ermächtigungsgrundlage die Gerichte schließlich als wirklich tragfähige Basis für die umfassenden staatlichen Eingriffe in unsere private Wirtschaft bestätigen. § 56 IfSG gehört zu den Maßnahmen der Behörden zur „Bekämpfung übertragbarer Krankheiten“. § 65 IfSG gehört zu den Maßnahmen der Behörden zur „Verhütung übertragbarer Krankheiten“. Es ist vor dem Hintergrund der aktuellen Situation unklar, wo diese Trennlinie zu ziehen ist.

Zweitens ist denkbar, dass Entschädigungsansprüche aus dem sogenannten Polizei- und Ordnungsrecht der einzelnen Bundesländer bestehen. Gerade für die Inanspruchnahme von „Nicht-Störern“ enthalten die Ländergesetze eigene Entschädigungsregelungen aus Billigkeitsgründen.

Schließlich ist denkbar, dass Entschädigungsansprüche aus verfassungsrechtlichen Gründen bestehen. Hierzu sind den Medien derzeit zahlreiche Überlegungen von Professoren und Verfassungsrechtlern zu entnehmen. In Abhängigkeit davon, ob die Gerichte die staatlichen Maßnahmen später als rechtmäßige oder rechtswidrige Eingriffe in den verfassungsrechtlich geschützten Geschäftsbetrieb der heute Betroffenen ansehen, stehen Ansprüche aus einem sogenannten „enteignenden“ oder „enteignungsgleichen Eingriff“ oder aus einer sogenannten „Aufopferung“ im Raum.

Alle diese Anspruchsgrundlagen sind von den Gerichten selbständig von Amts wegen zu prüfen, wenn eine entsprechende Klage erhoben wird. Dies gilt auch dann, wenn die tragende Begründung zunächst nur die von uns vertretene direkte oder analoge Anwendung des § 56 IfSG ist.

(6) Ergebnis

Die von uns vertretene Rechtsauffassung kann sich noch auf keinen ausdrücklichen Präzedenzfall berufen. Wir sind bestrebt, einen solchen Präzedenzfall zu schaffen.

Wir sehen gute Gründe dafür, dass insbesondere die Solo-Selbständigen und die Inhaber anderer, in persönlicher Haftung geführten Unternehmen Ansprüche gegen die jeweiligen Bundesländer als Haftungsträger der derzeitigen Geschäftsschließungen aus dem Infektionsschutzgesetz haben.

Eine Garantie für den Erfolg angemeldeter Ansprüche können wir aber nicht geben.

Auch steht momentan noch zu vermuten, dass die Behörden wegen der drohenden Breitenwirkung des Sachverhalts allen angemeldeten Ansprüchen vehement entgegentreten werden.

Das Infektionsschutzgesetz gilt zwar bundesweit einheitlich. Die Maßnahmen der Länder sind hingegen im Detail sehr unterschiedlich. Daher ist nicht anzunehmen, dass gerichtliche Präzedenzfälle aus dem einen Bundesland unmittelbar von den Gerichten in anderen Bundesländern übernommen werden.

Wir meinen: Schützen Sie Ihre Rechtsposition mindestens durch eine fristgerechte Anmeldung Ihrer Ansprüche. Selbst wenn die Dreimonats-Frist aus § 56 Abs. 11 IfSG am Ende keine Anwendung auf den von den Gerichten für maßgeblich befundenen Anspruch findet oder nicht als Ausschlussfrist verstanden wird, vermeidet die Einhaltung der Frist unnötige Risiken. Anschließend gelten die allgemeinen Verjährungsregeln.

Hinweis

Für die gerichtliche Geltendmachung der hier in Rede stehenden Ansprüche sind die deutschen Zivilgerichte zuständig. Die Klagepartei hat – außer im Falle nachgewiesener Bedürftigkeit – die Gerichtskosten vorzuschießen. Die im Zivilprozess unterliegende Partei hat grundsätzlich die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Dies umfasst auch die Gerichtskosten und die Anwaltskosten der Gegenseite auf Basis der jeweiligen Kostengesetze.

Diese Darstellung bedeutet und ersetzt keinen verbindlichen Rechtsrat in Bezug auf eine individuelle Anspruchssituation.

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